| PL-Newsletter 2016-06
Religiösem Extremismus in der Schule begegnen - aber wie?
"Kinder und Jugendliche, die als salafistische Kämpfer beispielsweise nach Syrien reisen, sind nur die Spitze des Eisbergs. Sie als Lehrkräfte begegnen in der Schule einer viel größeren Gruppe an Schülerinnen und Schülern, die zumindest in Teilen Werte und Ideologien teilen, die sie für salafistische Extremisten ansprechbar machen", eröffnete Ahmad Mansour, Autor und Programme Director der European Foundation for Democracy in Brüssel, die Fachtagung. "Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, über flächendeckende Angebote im Vorfeld diejenigen zu erreichen, die verführbar sind und ihnen Alternativen zum Extremismus aufzuzeigen."
Dabei stellte Mansour insbesondere den Wert von Kommunikation und Beziehungsarbeit in der Schule - auch in Richtung der Eltern - heraus. Er betonte, dass beim akuten Radikalisierungsprozess sehr häufig eine ebenfalls akute schwierige persönliche Situation der Jugendlichen und Kinder eine Rolle spiele "Salafistische Extremisten haben leider ein gutes Gespür für Jugendkultur, was sich sowohl in der persönlichen Ansprache als auch in der Nutzung der Sozialen Medien zeigt", so Mansour weiter. Kurze Einblicke in Anwerbevideos bestätigten diesen Eindruck: Mit eingängiger Musik, emotionalen Bildern, schnellen Schnitten und einfachen Botschaften erinnerten diese an Computerspiele, Musikvideos und Hollywoodfilme, Elemente der Lebenswelt der Jugendlichen. Typischerweise bieten extremistische Gruppierungen in der Form von Schwarz-Weiß-Aussagen einfache Antworten auf komplexe Fragen, indem die Welt in "richtig" und "falsch" eingeteilt wird.
Um diesen einfachen und erschreckend eingängigen Botschaften der extremen Salafisten etwas entgegensetzen zu können, sollten Kinder und Jugendliche zudem gezielt Kompetenzen erlernen wie selbständig zu denken, Diskussionen zu führen und Argumente zu formulieren. Demokratieerziehung, die Vermittlung von Hintergrundwissen zum Thema und natürlich die Vermittlung von Werten wie Demokratie, Religions- und Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung seien ebenfalls wichtige Bestandteile flächendeckender Prävention - nicht nur im Kontext Schule.
Vertiefung und Konkretisierung in Foren
Auf den äußerst gelungenen und authentisch wie eindringlichen Vortrag folgten Foren, in denen die Teilnehmenden in kleineren Gruppen das Gehörte vertieften, sich vernetzten oder sich einen Überblick über Ansprechpartner verschafften, die im Falle sich radikalisierender Schülerinnen und Schüler weiterhelfen können.
In Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen der Polizei sowie weiteren Expertinnen und Experten unter anderem aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen aus den Bereichen Religionswissenschaft, Integration und Demokratieerziehung setzten die Mitarbeitenden des PL im Rahmen unterschiedlicher Foren weitere Schwerpunkte. Hier wurde das Thema religiöser Extremismus und Radikalisierung aus den Perspektiven unterschiedlicher Professionen vertiefend beleuchtet, wobei die Fachleute Einblicke in ihre konkrete Arbeit gewährten. So ging es u. a. um folgende Aspekte:
- Sensibilisierung bezüglich der Anzeichen einer Radikalisierung bei Kindern und Jugendlichen
- Präventionsarbeit im Hinblick auf religiösen Extremismus und im Umgang mit religiös gefärbten Konfliktlagen im schulischen Kontext
- Prävention von Fremdenfeindlichkeit
- Demokratieerziehung und Wertevermittlung in Schule
Fazit und erste Rückmeldungen
Schon die große Anzahl an Anmeldungen zeigte, wie wichtig das Thema religiöser Extremismus für rheinland-pfälzische Lehrkräfte ist. Schulleitungen und Lehrkräfte werden in diesem Feld nicht als Expertinnen und Experten agieren können. Sie sollen aber unter anderem durch die Fachtagung sensibilisiert bzw. informiert werden, um einerseits an Schulen Präventionskonzepte zu erarbeiten und andererseits in Verdachtsfällen mit außerschulischen Stellen kooperieren zu können.
Die Veranstaltung hatte deshalb zum Ziel, aus unterschiedlichen Perspektiven und Professionen grundlegende Informationen zum Thema zu liefern, diesbezüglich Verunsicherungen abzubauen und erste Handlungsempfehlungen für Schulleitungen und Lehrkräfte bei Verdachtsfällen zu geben, außerdem notwendige Schritte vorzuzeichnen und Unterstützungseinrichtungen sowie Ansprechpartner für Schulen kennenzulernen. Erste Rückmeldungen der Teilnehmenden zeigten, dass dieses Ziel erreicht wurde, gleichzeitig aber weiterhin ein Bedarf an Unterstützung besteht. Die sich dem Vortrag anschließende Diskussion spiegelte wider, dass es viele Fragen zum Thema Werteerziehung in der Schule sowie zu konkretem unterrichtlichen Handeln im Kontext der Prävention von Radikalisierungsprozessen gab. Weitere Veranstaltungen, die Entwicklung einer Handreichung, aber auch von Material für den Einsatz im Unterricht und in den sozialen Medien stehen daher auf der Agenda des PL.
Weiterführende Internetlinks: